Klassenunabhängigkeit

8. Oktober 2024

Grundsätzliches

Ursprünglich kommt der Begriff der Klassenunabhängigkeit aus der Gewerkschaftsbewegung. Gewerkschaften sollen ein Instrument zur Äusserung und Durchsetzung der Interessen der Arbeiter*innen sein und in ihren Aktionen und Entscheidungen eine Unabhängigkeit von Arbeitgeber*innen, dem Staat, politischen Parteien sowie jedem philosophischen oder religiösen Dogma bewahren. Durch diese Prinzipien soll die Gewerkschaft den Arbeiter*innen einen Raum ermöglichen, der von Arbeiter*innen geschaffen wie auch kontrolliert wird und für klassenspezifische Ziele der sozialen Gerechtigkeit kämpft. 

Grundsätzliches II

Klassenunabhängigkeit ist kein rein theoretisches Konzept, das nur in den Köpfen einiger Anarchist*innen existiert. Sie beschreibt eine lebendige Kultur verschiedener Arbeiter*innenorganisationen. Das Ziel der Klassenunabhängigkeit ist der Aufbau von Stärke und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Klasse. Die Klassenunabhängigkeit entstand nicht plötzlich, sondern wuchs über Jahre innerhalb der Bewegung und enwickelte sich kontinuierlich weiter. Sie wurde zu einer der Leitideen von freiheitlichen Sozialist*innen, wenn es um Arbeit in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen geht.

Gegensätzliche Ansätze

Historisch war die Klassenunabhängigkeit stets ein Streitpunkt innerhalb der Arbeiter*innenbewegung. Zwei Denkrichtungen standen sich seit den Ursprüngen der sozialistischen Bewegung gegenüber: die libertären Sozialist*innen (Anarchist*innen) und die Marxist*innen. Die meisten Marxist*innen argumentierten, dass die Gewerkschaften den politischen Parteien folgen müssten, da diese das Bewusstsein der Klasse verkörperten und somit führend seien. Die Anarchist*innen hingegen vertraten die Ansicht, dass die Arbeiter*innen in ihren eigenen Basisstrukturen auch mit anderen Mitteln kämpfen müssten, als mit jenen der gesetzlichen Zulässigkeit.  

Mehr als nur Reformen

Ein gutes Beispiel stellt die Gewerkschaft CNT Uruguay dar. Stets stand bei ihr die Veränderung der gesamten sozialen Struktur im Fokus und nicht nur blosse Lohnforderungen. Beim „Kongress des Volkes“, welcher als Gründungskongress der CNT Uruguay betrachtet werden kann, kamen hunderte gewerkschaftliche sowie stadtteilbezogene und kulturelle Organisationen zusammen. Diese Organisationen schlugen Massnahmen gegen die autoritäre Machtergreifung vor und verabschiedeten ein Mindestprogramm, durch das grössere Veränderungen möglich werden sollten.

Schule der Revolution

Die soziale Revolution steht nicht unmittelbar bevor, aber das bedeutet nicht, dass wir uns mit dem Kapitalismus abfinden und nur um eine bessere Verwaltung bitten sollten. Gewerkschaften und soziale Bewegungen müssen weiterhin eine Schule des Kampfes und der Solidarität bleiben. Sie dürfen sich nicht in blosse Stimmenfänger während der Wahlen entwickeln. Das stellt keine Klassenpolitik dar und wird uns nicht näher an die Verwirklichung eines freiheitlichen Sozialismus bringen. 

Mehr als nur Gewerkschaft

Angesichts der sich zuspitzenden Zustände wie der Klimakatastrophe sowie antifeministischer und rassistischer Haltungen, die wieder salonfähig werden, reicht reine Gewerkschaftsarbeit nicht aus, um gegen diese Tendenzen vorzugehen. Daher ist eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen Basisgewerkschafen und verschiedensten sozialen Bewegungen wie dem Klimastreik, feministischen Streikkollektiven und Nachbarschaftsgruppen notwendig. Diese Strukturen müssen klassenunabhängig arbeiten, damit die unterdrückten Klassen die Stärke entwickeln können, die sie zur eigenen Befreiung brauchen.

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