Ist Anarchismus sozialistisch?

8. September 2024

Die kurze Antwort lautet: Ja!

Doch schauen wir es uns etwas genauer an…

Was ist Sozialismus?

Sozialismus ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von politisch-ökonomischen Theorien. Was sie verbindet, ist die gemeinsame Ansicht, dass Produktionsmittel, Rohstoffe und Produkte (Maschinen, Ressourcen, Arbeitskraft usw.) gemeinsam verwaltet und nach Plan verteilt werden sollten.

Erst wenn wir ins Detail gehen, wie dies erreicht oder interpretiert werden soll, sehen wir grosse Unterschiede in den sozialistischen Strömungen. Welche Art von Organisation ist nötig, um den Kapitalismus zu überwinden? Was genau bedeutet „gemeinsam verwaltet“? Wie werden Produktion und Konsum koordiniert? All diese Fragen werden unterschiedlich beantwortet, je nachdem, um welche Art von Sozialismus es sich handelt.

Anarchist*innen sind Antikapitalist*innen!

Weiter können wir unserer Frage auf den Grund gehen, indem wir uns mit den theoretischen Grundlagen des Anarchismus befassen. Eines der unbestreitbaren Kernprinzipien des Anarchismus ist die Ablehnung der Organisation der Gesellschaft rund um eine kapitalistische Wirtschaft.

Das bedeutet im Wesentlichen, dass Anarchist*innen die Gliederung der Gesellschaft in Klassen ablehnen: Eine Klasse, die arbeitet bzw. ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um zu überleben (die Arbeiter*innenklasse), und eine andere Klasse, die untätig vom Überschuss lebt, der durch die Arbeit anderer erzeugt wird (die Kapitalist*innenklasse).

Selbstverwaltung 

Was schlagen Anarchist*innen vor, um den Kapitalismus zu ersetzen? Die historisch konsistenteste und praktisch erprobteste Alternative zum Kapitalismus, die von der anarchistischen Bewegung vorgeschlagen wird, ist die der Selbstverwaltung.

Selbstverwaltung heisst, dass Arbeiter*innen durchaus in der Lage sind, die Produktion demokratisch zu organisieren und föderal zu koordinieren, um  die Bedürfnisse aller zu erfüllen. Dies ist eine durchweg sozialistische Vision der Wirtschaft.

Staatenloser Sozialismus 

Aber Selbstverwaltung ist ein (wenn nicht das) wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den verschiedenen Strömungen der sozialistischen Bewegung. Während Anarchist*innen (auch libertäre Sozialist*innen genannt) die Notwendigkeit sehen, die arbeitenden und unterdrückten Klassen direkt und demokratisch mit der Verwaltung der Wirtschaft zu betrauen, tun dies andere Sozialist*innen nicht. Staats-Sozialist*innen glauben, dass die Wirtschaft von oben verwaltet werden muss, mit den Instrumenten des Staates.

Fazit

Obwohl es sogenannte Anarchist*innen gibt, die versuchen, die starken theoretischen und historischen Wurzeln des Anarchismus innerhalb der sozialistischen Bewegung zu verleugnen, stellen sie eher eine Ausnahme als die Regel dar. Der Anarchismus im Allgemeinen wurde immer als eine Strömung der sozialistischen Bewegung anerkannt und Anarchist*innen verstanden sich fast immer als festen Bestandteil ebendieser Tradition.

Zitate berühmter Anarchist*innen

„Wir sind überzeugt, dass Freiheit ohne Sozialismus Privilegienwirtschaft und Ungerechtigkeit, und Sozialismus ohne Freiheit Sklaverei und Brutalität bedeutet.“

– Michael Bakunin, 1867 „Föderalismus, Sozialismus und Antitheologismus. 

„Was ihre wirtschaftlichen Vorstellungen betrifft, so betrachten die Anarchisten, wie alle Sozialisten, von denen sie den linken Flügel bilden […] das Lohnsystem und die kapitalistische Produktion insgesamt als Hindernis für den Fortschritt.“

– Peter Kropotkin, 1910, „Encyclopedia Brittanica“ 

„Wir waren immer der Meinung, dass Sozialismus und Anarchie zwei Wörter sind, die im Grunde die gleiche Bedeutung haben, da es unmöglich ist, ökonomische Emanzipation (Abschaffung des Eigentums) ohne politische Emanzipation (Abschaffung der Regierung) und umgekehrt zu haben.“

– Errico Malatesta, 1923, „Anarchismus, Sozialismus und Kommunismus“.

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