29.10.2025

Die soziale Revolution – Teil 2

Einleitung
Im letzten Beitrag haben wir eine Unterscheidung zwischen einer politischen und einer sozialen Revolution gemacht und begonnen zu beschreiben, wie sich diese vollziehen kann. In diesem Teil wollen wir nun vertieft auf die anarchistische Konzeption einer sozialen Revolution eingehen. Das heisst, eine Revolution, die von der Masse der Unterdrückten und Ausgebeuteten getragen wird und das Ziel hat, Macht unter den Menschen von unten zu verteilen.

Volksmacht
Die für eine soziale Revolution notwendige gesellschaftliche Kraft und Organisationsfähigkeit sammeln die unterdrückten Klassen, indem sie sich aufgrund der alltäglichen Klassenkämpfen in sozialen Bewegungen und Gewerkschaften engagieren. Anarchistische Revolutionär*innen, die sich in diesen sozialen Organisationen aktiv einbringen, arbeiten daran, sie an libertär-sozialistischen Prinzipien auszurichten und sie in einer breiten Front der unterdrückten Klassen zu vereinen. Diese Front zielt darauf ab, das herrschende System anzugreifen. Das Ziel der sozialen Organisationen ist es, die bestehenden Herrschaftsstrukturen herausfordern zu können und gleichzeitig die neuen Institutionen der Selbstverwaltung aufzubauen. Wenn sie für diese Konfrontation genug Kraft und organisatorische Fähigkeit entwickelt haben, nennen wir das Volksmacht. Hat die Front der unterdrückten Klassen – die breite Front der gemeinsam handelnden sozialen Bewegungen – genügend Stärke erreicht, kann sie einen günstigen Moment des Aufruhrs ergreifen, ihn verstärken und in einen wirklich revolutionären Bruch verwandeln.

Internationalismus

«Die Soziale Revolution kann nicht eine Einzelrevolution eines einzigen Volkes sein; sie ist ihrem Wesen nach eine internationale Revolution»
— Michael Bakunin, Staatlichkeit und Anarchie

Eine soziale Revolution ist kein einzelnes, weltweit synchronisiertes Ereignis. Gleichzeitig ist sie, begrenzt auf eine Region, nicht dauerhaft tragbar. Eine Revolution in einem Land wird von den Kräften, die sich ihr entgegenstellen, isoliert und gezwungen sein, ihre eigentlichen Ziele zugunsten des Überlebens zu opfern. Kapitalismus und Staat sind wechselseitig abhängige, globale Herrschaftsstrukturen. Daher darf sich eine soziale Revolution, die das gesamte System der Herrschaft entwurzeln und beiseite fegen will, nicht auf bestimmte geografische Grenzen beschränken — sie muss ebenfalls global sein.

Ein Raster für die Revolution?
Die Rolle einer spezifisch anarchistischen Organisation beginnt lange vor der sozialen Revolution. Ihre Mitglieder beteiligen sich an sozialen Bewegungen und Gewerkschaften und prägen sie. Sie tragen anarchistische Prinzipien rein und bereiten sie auf die Konfrontation vor, die eine soziale Revolution mit sich bringt. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass anarchistische Revolutionär*innen und ihre Organisationen nicht darauf abzielen, dem revolutionären Prozess ein absolutes, vorgefertigtes Raster aufzuzwingen. Die Prinzipien der Selbstverwaltung, des Föderalismus und des Sozialismus müssen Kern einer sozialen Revolution sein. Jedoch behaupten wir nicht, genau zu wissen, wie sich die soziale Revolution im Detail entfalten wird. Zwar erfordert sie geduldige Vorbereitung und Planung, zugleich braucht es aber auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

Ist die Revolution notwendig?
Einige Linke sind der Ansicht, eine soziale Revolution, die eine Konfrontation zwischen den unterdrückten Klassen und den herrschenden Klassen vorsieht, sei nicht notwendig. Diese Perspektive hält sich, weil manche glauben, der Sozialismus lasse sich durch Reformen erreichen, wie es die Sozialdemokratie tut. Andere Linke hoffen auf einen Ausbau von demokratischen Strukturen – etwa Kollektivbetriebe – die Herrschaftsstrukturen im Laufe der Zeit in einem friedlichen Prozess überflüssig machen werden. Revolutionäre Anarchist*innen widersprechen dem und argumentieren, dass Kapital und Staat ihre Aufrechterhaltung, Weiterverbreitung und Selbstbereicherung aktiv befördern. Dazu gehört auch der Einsatz von Gewalt gegen jede Bewegung — revolutionär oder nicht — die ihre Interessen bedroht. Deshalb ist eine soziale Revolution notwendig, um die Herrschenden Klassen zu konfrontieren und schlussendlich zu zerstören. Die Herrschenden werden sich nicht damit abfinden, reformiert zu werden oder sich friedlich abschaffen zu lassen.

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