Internationale anarchistische Erklärung zum 52. Jahrestag der Stonewall-Riots: Gleichheit und Freiheit stehen nicht zur Debatte!

28. Juni 2021

CN: Queerfeindlichkeit, queerfeindliche und rassistische Gewalt, Femizide.

Am 28. Juni 1969 trafen Polizisten im Stonewall Inn in New York ein. Diese Bar war in der Schwulen-, Lesben-, Bi- und Trans-Community dafür bekannt, dass sie auch die am meisten Ausgegrenzten willkommen hieß. Wie üblich verdarb die Polizei die Party. Doch die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Mehrere tausend Menschen – Homo- & Bisexuelle, trans Menschen und Drag-Performer*innen – stellten sich die ganze Nacht über der Polizei entgegen. An diesem Tag und in den fünf Nächten danach erhob sich eine ganze Community gegen Ungerechtigkeit und Polizeigewalt.

Pride-Märsche, wie es sie heute in vielen Städten auf der ganzen Welt jeden Juni gibt, erinnern an die Stonewall-Unruhen und dienen dazu, die Rechte aller Menschen zu verteidigen, die nicht in die engen Grenzen der Cis-Heterosexualität passen, welche die Reaktionäre gerne als universelle Norm durchsetzen würden.

Leider begehen wir in diesem Jahr auch den 5. Jahrestag des Anschlags von Orlando, einer homofeindlichen, transfeindlichen und rassistischen Attacke, die in den Vereinigten Staaten 49 Menschen das Leben kostete und 59 Verletzte hinterließ. Der Kampf ist noch lange nicht vorbei, denn die Gewalt gegen queere Menschen nimmt in vielen Ländern zu. Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit ist ein Kampf gegen Gewalt, die viele Menschen trifft. Er ist eine Notwendigkeit!

Homofeindlichkeit ist ein Sprungbrett für Faschismus

Im besten Fall geben die Herrschenden nur vor, solche Gewalt zu verhindern, wenn sie es nicht tun, wie in Ländern wie Russland, Ungarn und anderen, die aktiv die gesetzliche Repression gegen queere Menschen verstärken. In der Türkei hat der Faschist Erdoğan alle Aktionen der LGBTIAQ+-Bewegung verboten. Ein kleines Picknick wurde von der Polizei brutal verprügelt. In anderen Ländern machen rechtsextreme Aktivist:innen und Hooligans die Drecksarbeit für sie. In Frankreich zum Beispiel griffen etwa 80 Nazis den Dyke’s March in Lyon an, der sich im April für lesbische Sichtbrkeit und Pride und das Recht auf Zugang zu assistierter Reproduktionstechnologie versammelt hatte. In der Zwischenzeit haben Bolsonaro und seine Anhänger:innen in Brasilien queere Menschen lautstark angegriffen und Angriffe von einfachen Leuten und Gruppen, die Hass verbreiten, gegen diese Bevölkerungsgruppe gelenkt. Das Land, das täglich mehr trans Menschen tötet als jeder andere Ort auf der Welt, hat einen Präsidenten, der homofeindliche und transfeindliche Gewalt umarmt und ermutigt. Im Juni dieses Jahres wurde eine 40-jährige trans Frau in der Innenstadt von Recife, Pernambuco, bei lebendigem Leibe verbrannt, ein schreckliches Verbrechen, mit dem wir täglich konfrontiert sind. Diese Angriffe sind einige von vielen Taten der homofeindliche und transfeindliche Ideologie, die ein Sprungbrett für Nationalismus und Faschismus ist.

Arme queere Menschen leiden am meisten

Obwohl Homofeindlichkeit, Transfeindlichkeit und Hassverbrechen die gesamte LGBTIAQ+-Community betreffen, müssen wir darauf hinweisen, dass es die Unangepassten aus den ärmeren Teilen der Bevölkerung sind, welche sich in der schlimmsten Situation befinden. In diesem Sinne können wir darauf hinweisen, dass Diskriminierung und die daraus resultierende Ausgrenzung auch heute noch viele Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und guten Arbeitsbedingungen mit sich bringt. Auch die Brutalität der sexistischen Gewalt hat Auswirkungen auf eine große Anzahl von Transfemiziden und Gewalt, die sich auf die queere Gemeinschaft konzentriert. Wenn man sich die Statistiken genau anschaut, vor allem in Lateinamerika, gehören die meisten Opfer von Hassverbrechen zu den unteren Schichten, die stärker von Prostitution, Drogenmissbrauch, polizeilicher Verfolgung, informeller Arbeit usw. betroffen sind. Wir können auch sehen, dass rassistische Diskriminierung eine wichtige Rolle spielt. Queere Menschen aus Schwarzen, Indigenen oder Communities of Color sind tagtäglich einer noch größeren Unterdrückung ausgesetzt. Sie sind sehr oft gezwungen, ins Exil zu gehen und in einer Art doppelter Klandestinität in den Gesellschaften zu leben, in denen sie sich dann niederlassen.

Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit ist Teil des anarchistischen Kampfes

Wir verteidigen das Recht für queere Menschen genauso wie für alle anderen, sich zu bewegen und niederzulassen, wo sie wollen, aber als internationale Koordination stellen wir auch fest, dass es bei der effektiven Bekämpfung von Queerfeindlichkeit nicht nur um schöne progressive Reden geht. Es ist ein langer und täglicher Kampf für gleiche Rechte und gegen alle homofeindlichen und transfeindlichen Handlungen, Kommentare und Verhaltensweisen. Konkret müssen wir den Kampf gegen die systemische Unterdrückung von queeren Menschen fortsetzen, die sich im Gesundheitssystem, im Bildungswesen und an so vielen anderen Stellen manifestiert. Im weiteren Sinne müssen wir gegen alle Unterdrückungen kämpfen, um eine echte Solidarität gegen die Unterdrücker:innen zu entwickeln.


☆ Alternativa Libertaria/ Federazione dei Comunisti Anarchici (AL/FdCA) – Italien
☆ Αναρχική Ομοσπονδία – Anarchist Federation – Griechenland
☆ Aotearoa Workers Solidarity Movement (AWSM) – Aotearoa/Neuseeland
☆ Coordenação Anarquista Brasileira (CAB) – Brasilien
☆ Devrimci Anarşist Federasyon (DAF) – Türkei
☆ Die Plattform – Anarchakommunistische Organisation – Deutschland
☆ Embat – Organització Llibertària de Catalunya – Katalonien
☆ Federación Anarquista de Rosario (FAR) – Argentinien
☆ Federación Anarquista Uruguaya (FAU) – Uruguay
☆ Grupo Libertario Vía Libre – Kolumbien
☆ Melbourne Anarchist Communist Group (MACG) – Australien
☆ Organización Anarquista de Tucumán (OAT) – Argentinien
☆ Roja y Negra – Organización Política Anarquista – Argentinien
☆ Union Communiste Libertaire (UCL) – Frankreich
☆ Libertäre Aktion (LA) – Schweiz
☆ Organisation Socialiste Libertaire (OSL) – Schweiz
☆ Organización Anarquista de Córdoba (OAC) – Argentinien
☆ Zabalaza Anarchist Communist Front (ZACF) – Südafrika
☆ Tekoşîna Anarşîst (TA) – Rojava/Nordostsyrien

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